Die vergessene Pflicht - Warum Ihre PV-Anlage eine Dokumentation braucht (und was darin stehen muss!)
- Anna Herman-Czezuch
- vor 4 Tagen
- 5 Min. Lesezeit

Als Sachverständige für Photovoltaikanlagen sehe ich immer wieder Anlagenbesitzer, die nach der Installation mit vielen offenen Fragen und ohne wichtige Informationen dastehen. Nicht selten fehlt es bereits an den Grundlagen: Eine vollständige Dokumentation laut VDE 0126-23 (DIN EN 62446-1) ist nicht nur eine Empfehlung, sondern eine Pflicht. Und oft fehlt es sogar am Abnahmeprotokoll, das den ordnungsgemäßen Zustand der Anlage nach der Installation bescheinigt!
Oftmals erhalten Kunden lediglich ein Angebot mit den Datenblättern der ausgewählten Module und Wechselrichter – Informationen, die man sich theoretisch auch selbst aus dem Internet zusammensuchen könnte. Aber was fehlt, ist der entscheidende Hintergrund:
Auf welcher Grundlage wurde das Angebot erstellt?
Warum wurden genau diese Komponenten ausgewählt und nicht andere?
Wie wurde die Anzahl der Module und die Anlagengröße dimensioniert?
Wo sind die Ergebnisse einer detaillierten Anlagensimulation, die alle Pläne (Stringplan, Schaltplan), die Wirtschaftlichkeitsberechnung basierend auf Ihrem individuellen Stromverbrauch und die Berechnungsgrundlagen enthält?
Die Wahrheit ist: Vielen Kunden fehlt ein umfassendes Dokument, das die Grundlage für das gesamte Projekt darstellt. Und ihnen ist oft gar nicht bewusst, was sie dadurch wirklich verlieren!
Die Konsequenzen fehlender Dokumentation
Stellen Sie sich vor, es kommt zu einem Vorfall an Ihrer Anlage. Ein Techniker muss zur Reparatur anrücken, hat aber keine Ahnung, wie die Stränge verschaltet sind. Die Fehlersuche wird dadurch unnötig erschwert und verteuert. Noch schlimmer: Ohne Abnahmeprotokoll fehlt der Nachweis, dass die Anlage überhaupt sicher installiert wurde.
Oder denken Sie an die regelmäßige Wartung: Bei der Messung der Anlagenparameter fehlt der Bezugspunkt – das ursprüngliche Abnahmeprotokoll, das den Zustand der Anlage bei Inbetriebnahme dokumentiert.
Und was, wenn Sie Ihr Haus verkaufen wollen? Woher soll der Käufer wissen, was für eine Anlage er überhaupt erwirbt? Ohne Dokumentation ist die Anlage für den Käufer quasi eine Blackbox – er kauft die Katze im Sack!
All das sind vermeidbare Probleme, wenn die Dokumentation von Anfang an vollständig und transparent ist.
Was ist die PV-Anlagendokumentation und warum ist sie Ihr wichtigstes Werkzeug?
Die VDE 0126-23 (DIN EN 62446-1) listet detailliert auf, welche Informationen mindestens! in der Dokumentation enthalten sein müssen, die Ihnen als Anlagenbesitzer nach der Installation einer netzgekoppelten PV-Anlage ausgehändigt werden muss. Diese Dokumentation ist viel mehr als nur ein paar Datenblätter – sie ist Ihr persönlicher Schlüssel zum Verständnis, zur sicheren Nutzung und zur langfristigen Werterhaltung Ihrer Anlage.
Das MUSS in Ihrer PV-Dokumentation enthalten sein:
1 Systemdaten
1.1 Grundlegende Systemangaben
a) Projektidentifikation (falls zutreffend)
b) Bemessungsleistung des Systems (kW DC oder kVA AC)
c) PV-Module und Wechselrichter – Hersteller, Modell und Anzahl
d) Installationsdatum
e) Datum der Inbetriebnahme
f) Name des Kunden
g) Anschrift des Aufstellungsorts
1.2 Angaben über Systementwickler
Es sind Informationen über alle am Projekt beteiligten Unternehmen und deren Aufgaben bereitzustellen:
a) Systementwickler, Unternehmen
b) Systementwickler, Ansprechpartner
c) Systementwickler, Postanschrift, Telefonnummer und E-Mail-Adresse
1.3 Angaben über Systeminstallateur(e)
Ebenso sind Informationen über alle an der Installation beteiligten Unternehmen bereitzustellen:
a) Systeminstallateur, Unternehmen
b) Systeminstallateur, Ansprechpartner
c) Systeminstallateur, Postanschrift, Telefonnummer und E-Mail-Adresse
2 Schaltplan
2.1 Allgemeines
Ein Prinzipschaltplan muss zur Verfügung stehen und mit Anmerkungen versehen sein, um die folgenden Angaben aufzunehmen:
2.2 Array – Allgemeine Festlegungen
a) Modultyp(en)
b) Gesamtanzahl der Module
c) Anzahl der Stränge
d) Anzahl der Module je Strang
2.3 Angaben zum PV-Strang
a) Festlegungen für die Kabel im Strang – Querschnitt und Typ
b) Festlegungen für die Überstromschutzeinrichtung im Strang (sofern zutreffend) – Typ und Spannungs-/Strom-Bemessungswerte
c) Sperrdiodentyp (sofern zutreffend)
2.4 Elektrische Einzelheiten des Arrays
a) Festlegungen zum Hauptkabel des Arrays – Querschnitt und Typ
b) Lage der Anschlussdosen/-kästen des Arrays
c) Lasttrennschalter für Gleichstrom, Lage und Bemessung (Spannung/Strom)
d) Typ, Lage und Bemessung (Spannung/Strom) von Überstromschutzeinrichtungen des Arrays
e) Weitere elektronische Schutzschaltungen für das Array (wie z. B. Lichtbogenfehlererkennung), soweit zutreffend – Typ, Lage und Bemessung
2.5 Wechselstromnetz
a) Lage, Typ und Bemessung von Trenneinrichtungen
b) Lage, Typ und Bemessung der Überstrom-Schutzeinrichtung
c) Lage, Typ und Bemessung der Fehlerstrom-Schutzeinrichtung (sofern eingebaut)
2.6 Erdung und Überspannungsschutz
a) Einzelheiten aller Funktionserder/Potentialausgleichsleiter – Querschnitte und Typ einschließlich Einzelheiten über das Potentialausgleichskabel des Array-Rahmens, sofern angeschlossen
b) Einzelheiten aller Verbindungen mit einer bestehender Blitzschutzanlage
c) Einzelheiten aller installierten Überspannungsschutzeinrichtungen (an Wechselspannungs- und Gleichspannungsleitungen) einschließlich Lage, Typ und Bemessungswerte
3 Strangplan
Für Systeme mit drei oder mehr Strängen muss ein Schaltplan des PV-Systems mit einer Darstellung, wie das Array aufgeteilt und zu Strängen zusammengeschaltet wird, zur Verfügung gestellt werden.
4 Datenblätter
Datenblätter müssen mindestens für die folgenden Systemkomponenten bereitgestellt werden:
a) Modul-Datenblatt für alle Modultypen
b) Wechselrichter-Datenblatt für alle Umrichtertypen
5 Angaben über die mechanische Konstruktion
Für das Montagesystem des Arrays muss ein Datenblatt bereitgestellt werden.
Ist die Montagestruktur eine Sonderanfertigung, muss die entsprechende Dokumentation zur Verfügung gestellt werden.
6 Notsysteme
Es ist eine Dokumentation aller Notsysteme für das PV-System (Brandalarme, Rauchalarme usw.) zur Verfügung zu stellen. Dazu gehören Einzelheiten zu Betrieb und Auslegung.
7 Betriebs- und Wartungsangaben
Betriebs- und Wartungsangaben müssen bereitgestellt werden und mindestens Folgendes enthalten:
a) Verfahren zum Nachweis des korrekten Anlagenbetriebs
b) Eine Checkliste, was im Fall eines Anlagenausfalls zu tun ist
c) Not-Abschaltung/Trennverfahren
d) Empfehlungen für die Wartung und Reinigung
e) Überlegungen hinsichtlich zukünftiger Arbeiten am Gebäude (z. B. Dacharbeiten)
f) Gewährleistungsangaben für PV-Module und Wechselrichter
g) Angaben über die zutreffende Ausführungsqualität oder über die Garantie der Wasserdichtheit
8 Prüfergebnisse und Inbetriebnahmedaten
Kopien aller Prüf- und Inbetriebnahmeprotokolle müssen bereitgestellt werden. Die Norm stellt dafür entsprechende Musterformulare zur Verfügung.
Warum ist das alles so wichtig?
Sicherheit: Die Dokumentation hilft Ihnen und Fachleuten, Ihre Anlage sicher zu betreiben und im Notfall richtig zu reagieren. Das Abnahmeprotokoll ist der erste Schritt, um die Sicherheit überhaupt zu gewährleisten.
Langfristige Performance: Sie enthält entscheidende Informationen für die Wartung und Instandhaltung, um die Lebensdauer und Effizienz Ihrer Anlage zu maximieren.
Effektive Fehlersuche: Im Falle einer Störung ist die Dokumentation unerlässlich, um die Ursache schnell zu finden und zu beheben.
Absicherung Ihrer Investition: Die Dokumentation ist oft Voraussetzung, um Gewährleistungsansprüche geltend zu machen und Ihre Investition zu schützen.
Wertsteigerung: Eine vollständige Dokumentation kann den Wert Ihrer Immobilie steigern.
Zeitpunkt der Übergabe
Die vollständige Dokumentation sollte unmittelbar nach der erfolgreichen Inbetriebnahme der Anlage übergeben werden. Dies stellt sicher, dass alle erforderlichen Informationen für den Übergang in den regulären Betrieb und die fortlaufende Wartung zur Verfügung stehen.

Die vollständige Dokumentation Ihrer PV-Anlage ist kein optionales Extra, sondern eine unverzichtbare Grundlage für einen sicheren, effizienten und langfristig erfolgreichen Betrieb. Fordern Sie diese unbedingt von Ihrem Installateur ein – und bestehen Sie auf dem Abnahmeprotokoll. Es ist Ihr gutes Recht und ein fundamentaler Baustein für eine nachhaltige Energiezukunft. Vertrauen Sie nicht auf leere Versprechungen – bestehen Sie auf Transparenz, Nachvollziehbarkeit und vor allem auf Sicherheit.
Was tun, wenn Sie keine bzw. lückenhafte Dokumentation bekommen haben?
Sollte das nicht möglich sein, stehe ich Ihnen als unabhängige Sachverständige gerne zur Seite. Ich kann eine umfassende Bestandsaufnahme Ihrer Anlage durchführen und eine detaillierte Ersatzdokumentation erstellen, die Ihnen alle wichtigen Informationen liefert. Ohne Abnahmeprotokoll rate ich Ihnen dringend zu einer Überprüfung der Anlage durch einen Fachmann.
Quellen:
DIN EN 62446 (VDE 0126-23) Photovoltaik (PV)-Systeme – Anforderungen an Systemdokumentation, Inbetriebnahmeprüfung und wiederkehrende Prüfungen – Teil 1: Netzgekoppelte Systeme – Mindestanforderungen für die Systemdokumentation, Inbetriebnahmeprüfung und wiederkehrende Prüfungen (April 2019).